Die Idee
Mit "Hungry Minds Think Alike?" wollen wir eine internationale
Zusammenarbeit zwischen Film- und VideomacherInnen initiieren.
Alle beteiligten KünstlerInnen arbeiten an der Schnittstelle der
Bereiche Dokumentarfilm, Videokunst und Multimedia.
Wir haben mit allen Beteiligten entweder im Rahmen unserer Arbeit
mit BOTSCHAFT e.V. oder in den Multimediaprojekten von dogfilm
z.T. seit Jahren zusammengearbeitet. Sowohl inhaltlich als auch
formal finden sich viele gemeinsame Aspekte, so z.B. der
spielerische Umgang mit der Grenze zwischen dokumentarischen und
fiktiven Formen, der subjektive Blick auf die uns umgebenden
Welten und die verschiedenen Wirklichkeiten unterschiedlicher
politischer und kultureller Kontexte.
Es entstand eine organische Zusammenstellung von beteiligten
Personen und Gruppen aus sieben verschiedenen Ländern. Wir sind
der Überzeugung, daß das Experiment eines gemeinsamen Projektes,
z.T. über weite Entfernungen hinweg, für jeden einzelnen von uns
eine Erweiterung sowohl des künstlerischen als auch des
gesellschaftlichen Horizontes bedeuten kann, ohne die persönliche
Entwicklung in der jeweils individuellen Arbeit zu unterbrechen
oder zu behindern.
Wenn die gesamte Welt dem Gesetz eines globalen Marktes folgt,
können unabhängige Ideen nur aus dem Kontext koninuierlicher
kritischer Auseinandersetzung, gerade auch im Kulturbereich,
entstehen. Darum erscheint es uns gerade jetzt wichtig, in
internationaler Zusammenarbeit mit anderen KünstlerInnen
Netzwerke aufzubauen und eigene Sichtweisen zu entwickeln.
Thematischer Hintergrund
Seit 1970 trifft sich alljährlich die Wirtschaftselite der Welt
zu einem Weltwirtschaftsforum in Davos, Schweiz. Sie laufen Ski
und diskutieren die Zukunft der Weltmärkte in vertraulicher
Athmosphäre. Politiker aus aller Welt stehen Schlange, um in
diesem Forum sprechen zu dürfen. Sie buhlen um Investoren, bitten
um Unterstützung ihrer Finanzpolitik und bieten attraktive
Standorte zwischen Berlin und Südostasien an. Davos wird zum
Symbol für die Globalisierung, für eine neue Weltordnung, in der
multinationale Konzerne mit ihrer wirtschaftlichen Macht die
politische Macht der nationalstaatlichen Regierungen ablösen. Die
neue Ordnung übt ihren Einfluß auf alle Bereiche aus. Der Kunst-
und Kulturmarkt wird gleichzeitig den Gesetzen dieser Ordnung
unterworfen und seine Produzenten zu Designern des Outfits dieser
Ordnung gemacht. Die westlichen Industrienationen entdecken ihre
Multiethnizität, protegieren die Vielfalt und veranstalten
"Jahrmärkte der Kulturen". Ein solches Bild verwischt die
Tatsache, daß diese Multikultur sich immer noch auf das gleiche
Zentrum beziehen soll, eine westlich dominierte Weltordnung, aus
der niemand entlassen wird.
"Multiculturalism appears as the necessary ideological reflection
of the Global Market or "New World Order", the "one" world of
too-late capitalism and the "end of History". (...) Living as we
do in the era of total Global order and the physical and cultural
environment it seretes, it should be obvious, that particularise
can represent a form of resistance. The totality has therefor
undertaken to appropriate the energy of the resistance by
offering a false form of particularism, empty of all creative
power, as a commodified simulacrum of insurrectionary desire. "
(Hakim Bey: "Against Multiculturalism", 1997)
Sich dem Multikulturalismus als Designer der Globalisierung zu
entziehen, bedeutet für uns als KünstlerInnen jedoch nicht, uns
in die Privatheit subjektiver Blickwinkel zurückzuziehen. Wir
halten es vielmehr für wichtig, uns über die Frage klarzuwerden,
wie sich unser subjektiver Blick auf die Welt, die uns umgibt zu
der Gesellschaft verhält, deren Teil wir sind. Und gerade weil
uns Tag für Tag das global village vorgespielt wird, müssen diese
Fragen über nationale Grenzen hinweg diskutiert werden. Am Ende
steht die Vision einer gemeinsamen Arbeit, einer
Kommunikationsform, die Hakim Bey "cross-culturalism" nennt:
"The image expresses a non-hierarchic, de-centered web of
cultures, each one singular, but not alienated from other
cultures. Exchange takes place in reciprocity across the
permeable boundaries of this complex of autonomous, but loosely
defined differences."
Als Symbol, Metapher oder Zustandsbeschreibung für die zunehmende
Tendenz zur Gobalisierung, die fast alle Bereiche des täglichen
Lebens erfasst hat, kann der Begriff "Bewegung" gesehen werden.
Alles scheint "in Bewegung" zu sein: Grenzen,Waren, Datenströme,
Finanzmittel, Arbeitskräfte... "Beweglichkeit" bzw. "Mobilität"
wird zunehmend zu einem gesellschaftlichen Standard bzw.zu einer
Grundvoraussetzung, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen
.
Um Teil der globalen "Bewegungen" zu sein, bzw. als Knotenpunkt
im globalen Netz der verschiedenen "Bewegungen" überleben zu
können, kommt dem Begriff des eigenen "Standorts" immer größere
Bedeutung zu. Der Standort muß "erhalten" oder "gesichert"
werden. "Bewegung" geschieht in einem Spannungsfeld zwischen dem
"eigenen (Stand-)ort" und einer unendlichen Anzahl "anderer/
fremder Orte".
Die subjektive Bewegung im Verhältnis zu gesellschaftlichen
Bewegungen, die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten physischer
Bewegung über nationale Grenzen hinweg. Im cross-kulturellen
Projekt "Hungry Mids think Alike" wollen wir unsere jeweils
eigenen, lokalen, subjektiven, abstrakten, radikalen Blicke
miteinander vernetzen, ohne ein neues Zentrum zu bilden. Das kann
nur auf der Basis gemeinsamer Diskussionen und audiovisueller
Experimente geschehen.
Das Gesamtprojekt
Das Gesamtprojekt gliedert sich in verschiedene Phasen/ Projekte
auf: Veranstaltungen, Symposium, Internetforum und elektronische
Datenbank sowie ein filmischer "Staffellauf".
I Viertägiges Koordinationstreffen aller KünstlerInnen in Berlin
Ende August 1998; Präsentation von Arbeiten der Beteiligten mit
Diskussionen im Kunstamt Kreuzberg/ Freiluftkino Bethanien;
Aufbau des Internetforums zum Projekt.
II Filmischer "Staffellauf" zwischen den verschiedenen
TeilnehmerInnen (koordiniert von dogfilm), in dem jeder einen
Film über sein lokales Umfeld macht, dann zum nächsten Teilnehmer
reist, diesen filmisch "beobachtet", worauf der Blick wieder
umspringt und der nächste Teilnehmer die eigene Realität und dann
den nächsten Ort dokumentiert usw. Geplante Zusammenarbeit mit
europäischen TV-Redaktionen
III Ausstrahlung im TV; Multimediapräsentation und Vorführung im
Kunstamt Kreuzberg/ Freiluftkino Bethanien; nichtkommerzieller
Vertrieb über Kulturinstitutionen, Festivals, Bibliotheken,
kommunale Einrichtungen usw.
|| teilnehmerInnen || veranstaltung ||